Musik

Mi
20.11.2019

20 Uhr
Einlass 19 Uhr
Halle

 

Fatoni – Andorra
Bei Fatoni ist’s alles ein bisschen anders. Vor ein paar Jahren glaubte er selbst nicht mehr
an eine Musikkarriere. Dann wurde er Deutschraps schärfster Beobachter, mit
schelmischem Humor und zynischem Zeigefinger. Und nun, wo es drauf ankommt, auf dem
vorläufigen Hoch seiner Karriere, tritt er mit „Andorra“ die Flucht nach vorn an: Fatoni erzählt
zum ersten Mal so richtig von sich selbst.
Dabei sein ist alles. Als Anton Schneider in den Neunzigern die Goldene Ära von
Deutschrap miterlebt, will auch er Teil einer Jugendbewegung sein. Seine Helden stehen am
Mic, rauchen Pflanzen und erklären ihm die Welt in Freestyles. Anton gründet mit seinen
Münchner Freunden eine Rap-Crew – nur ist da gerade nicht mehr so viel Platz für die
Philosophien postpubertärer Mittelständler. Also macht Anton in Hochkultur, inklusive
Schauspielstudium an der renommierten Otto Falckenberg Schule. Was er damals nicht
ahnt: dass er gute zehn Jahre später als Fatoni die Rolle seines Lebens findet.
Im Jahr 2019 ist Fatoni eine der unwahrscheinlicheren Figuren im deutschen Popzirkus –
schon deshalb, weil er mit Mitte dreißig gerade seinen zweiten Karrierefrühling durchlebt.
Schuld daran ist vor allem „Yo, Picasso“, jenes Album, auf dem sich Fatoni 2015 mit
Platinproduzent Dexter duellierte und dabei eine neue Stimme fand. Es war die Platte, an
die Fatoni schon selbst nicht mehr glaubte – und man muss sie erwähnen, um „Andorra“ zu
verstehen. Weil in „Yo, Picasso“ schon vieles von dem steckte, was Fatoni heute zu einem
so brillanten Erzähler macht: sein unglaublich präziser Blick auf das Geschehen und der
gewitzte Charme, mit dem Fatoni all das kommentiert, was uns Menschen schlichtweg zum
absurdesten Phänomen auf diesem Planeten macht.
Wie Fatoni seine Umwelt sezierte, war schon damals ziemlich Kunst. Das Haar in der Suppe
– wenn man es denn unbedingt finden wollte: Was den Menschen hinter der
Künstlerpersona antrieb, ließ sich nur erahnen. „Andorra“ braucht genau einen Song, um
damit zu brechen: „Alles zieht vorbei“ ist vielleicht der ehrlichste Song, den Fatoni je schrieb.
In jedem Fall ist er der Ergreifendste. Und er steht endlich ganz vorne. „Früher habe ich die
autobiografischen Songs immer ans Ende der Platte gepackt, weil ich mich nicht so recht
traute“, gesteht Fatoni. Mit „Alles zieht vorbei” verhandelt er zum Einstieg mal eben einen
Autounfall, legt diverse Angstgeständnisse ab und gesteht sich die größte Künstlerkrux
überhaupt ein, das ewige Ringen um Anerkennung. Dann plötzlich, aus dem Nichts – Auftritt
Dirk von Lowtzow, Tocotronic-Frontmann und Diskurs-Pop-Don höchstpersönlich: „Nichts ist
so einfach, alles so kompliziert/Fremde Lebensentwürfe hast du schon immer romantisiert.“
Apropos fremde Lebensentwürfe: Natürlich geht es auf „Andorra“ auch um „Die Anderen“.
Die leben einem den ganzen Quatsch schließlich vor. So wie Kifferkumpel Jan, mit dem sich
Fatoni als 17-Jähriger die Bong teilte und der heute, rund 17 Jahre später, beim jährlichen
Wiedersehen mit kruden Verschwörungstheorien um sich wirft. Oder „Mitch“, der Junkie, den
der kleine Anton einst mit seinem Vater bewusstlos im Park auffand. Oder „D.I.E.T.E.R.“,
Deutschlands erfolgreichster Schlagerproduzent, der sein Glück in der Ignoranz findet.
Fatoni erzählt von diesen Personen, wie er schon immer von ihnen erzählt hat: in
unglaublich humorvollen Anekdoten voll kleinster Details. Nur wo er früher als Mensch
Distanz wahrte, sucht er nun Nähe. Wo Sarkasmus herrschte, ist plötzlich Empathie. Weil
Fatoni sich nun selbst neben all diese Figuren stellt, wenn sie die Wege seiner Biografie
streifen. Auf gesellschaftliches Neben-, Mit- und Gegeneinander bezieht sich auch der
Albumtitel: nicht nur auf das gleichnamige Theaterstück von Max Frisch, sondern speziell
auf den danach benannten „Andorra-Effekt“. Dieses sozialpsychologische Phänomen
beschreibt menschliches Verhalten, das sich an Urteile und Erwartungen der Umwelt
anpasst – und da sind sie wieder, die Anderen.
Man kann das auch so sehen: Früher wollte uns Fatoni die Welt erklären. So hat er das
gelernt. Erst in seinem bürgerlich-intellektuellen Elternhaus, dann im Neunziger-Rap und
schließlich am Theater. Er weiß, wie man sich den Kopf zerbricht. Aber Fatoni fühlt sich
eigentlich ziemlich wohl dort, wo er gerade steht. Er lebt heute von dem, was er liebt. Er
steht auf den Bühnen der Festivals und Clubs, die ihn prägten. Und er bekommt Liebe von
all seinen früheren Helden – wirklich von allen. Selbst die Illustratorenlegende Klaus
Voormann, der „fünfte Beatle“, der das „Revolver“-Album bebilderte, für Lou Reed am Bass
saß und Trios „Da Da Da“ produzierte, sagte mit Begeisterung zu, als Fatoni fragte, ob er
nicht das Cover für „Andorra“ illustrieren wolle. „Mein sechzehnjähriges Ich würde komplett
durchdrehen, hätte es gewusst, was noch passiert“, sagt ein Anton „Fatoni“ Schneider, der
heute mehr bei sich ist als je zuvor in seiner Karriere. Vielleicht hat er deswegen den
Zeigefinger eingezogen.
Dass sich Fatoni wohl fühlt, liegt auch an dem Umfeld, mit dem er heute seine Kreativität
teilt. In Dexter fand Fatoni den Partner, der ihm nicht nur Beats auf dem Leib schneidert,
sondern mit dem er eine musikalische Vision teilt. Wenn „Yo, Picasso“ noch auf dem
klassischen Rollenspiel von Produzent und Rapper fußte, dann ist „Andorra“ das
künstlerische Statement, das Fatoni nicht nur als Rapper zeigt, sondern – so viel Pathos
muss erlaubt sein – als Musiker.
Fatoni ist heute ein Musiker, der Skizzen befreundeter Produzenten wie Torky Tork, Fid
Mella oder Occupanther mit zu Dexter ins Studio bringt, wo die beiden gemeinsam am Detail
feilen. Er setzt sich mit seiner Gitarre in die Gesangskabine, um mit „Krieg ich alles nicht hin“
seine vollkommen unpeinliche Hommage an die Ärzte zu performen. Er ist ein Musiker, der
mit überheblichen Punchlines und einem Casper-Feature auf „Burj Khalifa“ mal eben den
Zeitgeist von Rap bez

https://www.fatoni.de/

Veranstalter*innen: concert team nrw gmbh