Politik & Gesellschaft

Di
29.03.2022

19 Uhr
Studio

Eintritt frei

Am 28. Januar 1972 beschlossen die damaligen Ministerpräsidenten (es waren tatsächlich nur Männer) zusammen mit dem Bundeskanzler Willy Brandt, dass in das Beamtenverhältnis nur solche Personen berufen würden, die die Gewähr dafür böten, jederzeit für „die freiheitliche demokratische Grundordnung“ im Sinne des Grundgesetzes (FDGO) einzutreten. Damit wurde allerdings kein neues (Un)Recht geschaffen. Die darin zitierte "Gewährbieteklausel" stand auch damals schon in den Beamtengesetzen. Der Ministerpräsidentenbeschluss, bildete allerdings den Anstoß für die Berufsverbotepraxis.
Zwischen 1972 und 1985 wurden etwa 3,5 Mill. Menschen, die sich für den öffentlichen Dienst – insbesondere um eine Stelle als Lehrer:in – beworben hatten, einer Überprüfung durch den Verfassungsschutz unterzogen. In etwa 11.000 Fällen folgten Verfahren zur Feststellung der „Gewähr der Verfassungstreue“, etwa 1.300 Personen wurde der Zugang zu dem begehrten Beruf verwehrt und ca. 250 Beamt:innen wurden „aus dem Dienst entfernt.“
Dieser Tiefpunkt in der bundesrepublikanischen Geschichte ist nun 50 Jahre her. Aber bis zum heutigen Tage sind die Folgen, die der Beschluss für die Betroffenen hatte, nicht beseitigt. Auch der Schaden für die bundesrepublikanische Demokratie durch das Klima der Angst und der Verfolgung ist bis zum heutigen Tage nicht vollständig ermessen.
Die Podiumsteilnehmer:innen werden über ihre persönliche Erfahrungen und Betroffenheit mit den Berufsverboten berichten und auf die Frage eingehen:
• Was erwarten die Opfer von Berufsverboten heute?
• Könnte die Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte aus dem Jahr 1996 zugunsten von Dorothea Vogt die Maßstäbe liefern zur Entschädigung anderer Berufsverbotsopfer?
• Droht uns nach dem Koalitionsvertrag eine neue Welle von Berufsverboten?
• Sind Berufsverbote ein geeignetes Mittel im Kampf gegen Rechtsradikale?



Die beiden Referenten sind rechtlich Experten auf den Gebiet des Verwaltungsrechts und des Verfassungsrechts.

Martin Kutscha hat diverse Bücher zu verwaltungsrechtlichen, verfassungsrechtlichen und polizeirechtlichen Themen veröffentlicht, darunter „Verfassung und „streitbare Demokratie“. Historische und rechtliche Aspekte der Berufsverbote im öffentlichen Dienst. Zugl. Dissertation. Pahl-Rugenstein, Köln 1979, ISBN 3-7609-5008-6. Er war 4 Jahre lang Vorsitzender der VDJ und ist aktuell im Vorstand der Humanistischen Union.

Otto Jäckel
Hat das Berufsverbotsverfahren vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) von Dorothea Vogt federführend und mit prozessualem Erfolg bearbeitet. Es war der einzige Berufsverbotsfall der vom EGMR entschieden wurde. Zuvor hatte ich bereits eine Vielzahl von Lehrerinnen und Lehrern und Post- und Bahnbeamten in Berufsverbotsverfahren vertreten. Aktuell vertritt er mehrere von der Beobachtung durch die Geheimdienste Betroffene, darunter aktuelle und ehemalige Bundestagsabgeordnete. Nach Abschluss des Vogt-Verfahrens hat er im Fall des Marburger Postbeamten Herbert Bastian, der wegen seiner Tätigkeit als Stadtverordneter in der Fraktion der DKP im Marburger Stadtparlament aus dem Dienst entfernt worden war, ein Wiederaufnahmeverfahren vor dem Disziplinarsenat des Bundesverwaltungsgerichts eingeleitet und bis zum Bundesverfassungsgericht und dem EGMR geführt, das leider erfolglos blieb. 2019 veröffentlichte er einen Kapitel in dem im Papyrossa-Verlag erschienene Buch „Wer ist denn hier der Verfassungsfeind“. Er ist Vorsitzender der IALANA.

https://www.vdj.de/mitteilungen/nachrichten/nachricht/stellungnahme-der-vdj-zu-50-jahren-berufsverbote/
https://us02web.zoom.us/j/83859774065

Veranstalter*innen: Vereinigung Demokratischer Juristinnen und Juristen e.V. , Regionalgruppe Düsseldorf/NRW, Rosa-Luxemburg-Stiftung NRW und Rosa-Luxemburg Club Düsseldorf & zakk